editorial
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
tout le monde ist wieder unterwegs, als ob es kein Morgen gäbe. Während Venedig neue Besucherrekorde verzeichnet, möchten wir Ihnen heute vorschlagen: Warum nicht Venedig in Darmstadt besichtigen? Es gibt viel zu entdecken – so etwa, dass sich hinter ‚Canaletto‘, dem klassischen venezianischen Vedutenmaler, zwei Künstler verbergen: Giovanni Antonio Canal und sein Neffe Bernardo Bellotto, der berühmtere von beiden. Das Darmstädter Landesmuseum teilt sich mit dem Warschauer Nationalmuseum den Superlativ, Eigentümer der größten Sammlung von Bellotto-Zeichnungen weltweit zu sein. Auf diesen Blättern lässt es sich wunderbar in Venedig herumspazieren, ohne sich bei acqua alta nasse Füße zu holen.
Im weiteren Sinne ums Reisen geht es bei der Wiesbadener Ausstellung The Tide is High: Ab 2. Dezember feiern wir den Auftakt zu einer fünfteiligen Veranstaltungsfolge anlässlich unseres Jubiläums 30 Jahre Stipendienprogramm der Hessischen Kulturstiftung. Wie reisen Künstler:innen in Zeiten der Pandemie, angesichts ökologischer Notwendigkeiten und sich verschärfender Visa-Regelungen? Warum ist es im digitalen Zeitalter unverändert wichtig, vor Ort zu sein? Diesen und anderen Fragen gehen wir ab Anfang Dezember und im Jahresverlauf 2023 nach. Auf unserer Website finden Sie dazu neueste Informationen.
Museumswetter steht ins Haus. Was gibt es noch vor Ort zu entdecken? Die herausragende Keltenausstellung im gleichnamigen Museum am Glauberg läuft noch bis Jahresende und ist einen Besuch mit der Familie wert. Für Liebhaber:innen höfischer Porträtkunst lohnt sich ein Ausflug ins nordhessische Bad Arolsen: Dort ist das aparte, halbtransparente Marmorbildnis einer Preußenkönigin des Klassizisten Christian Daniel Rauch zu bewundern. Mit diesem Erwerb hat sich die allseits geschätzte Museumsleiterin Dr. Birgit Kümmel, jüngst mit der Goethe-Plakette des Hessischen Wissenschaftsministeriums geehrt, jetzt in den Ruhestand verabschiedet.
Zu guter Letzt ein Ausflug in die angewandte Kunst: Eine Kulturgeschichte des Handschuhs in seiner Material- und Bedeutungsvielfalt präsentiert das Offenbacher Ledermuseum, das zu diesem Objekttypus über einen Sammlungsbestand von stolzen 900 Objekten aus verschiedenen Epochen und Kulturen verfügt.
Dass die Dingwelt stets ungeahnte Wissensuniversen in sich birgt, zeigt auch das Interview mit unserem Istanbul-Stipendiaten Yong Xiang Li. Er interessiert sich für das Exotische als Ausgangspunkt für weltoffenes Denken, das wiederum im 19. Jahrhundert eines der Hauptmotive für Künstler:innenreisen war. Am Beispiel vermeintlich traditioneller Motive untersucht er Veränderungen in zuvor vertrauten Formsprachen und zeigt so auch den politischen Bedeutungsrahmen für diesen Wandel auf.
Viel Vergnügen bei Ihren Unternehmungen wünscht Ihnen
Ihre
Eva Claudia Scholtz
Geschäftsführerin