im nebeneinander

„Alle Vergangenheit ist ein Prolog“, hat einmal jemand formuliert – wer, ist nicht bekannt. Vermutlich war kein Geringerer als Shakespeare der Urheber dieses oft verwendeten Satzes. Der Gedanke, dass die Geschichte der Gegenwart Rahmen und Deutungshorizont vorgibt, erscheint so zeitlos wie die Kunst, die Geschichte an die eigene Gegenwart adaptiert, um gesellschaftspolitische wie künstlerische Belange zu thematisieren. Der Maler Jacques-Louis David (1748–1825) zum Beispiel agiert mit seinen Werken als Mittler zwischen der (römischen) Geschichte als einem Leitbild und der eigenen sozialen Gegenwart; zugleich stellt er das alte Bildkonzept infrage durch den Einbau gegensätzlicher Positionen, die der Betrachtende seinerseits auszutragen hat. Infragestellung des Vorbilds, Akzentuierung des Widerspruchs – der Auftakt zur Moderne.

Was entsteht, wenn Künstler:innen heute an eine Vergangenheit anknüpfen, um ästhetische wie gesellschaftliche Diskurse in und mit der Kunst weiterzuführen, zeigt die dritte Ausstellung zum 30. Jubiläum des Stipendienprogramms der Hessischen Kulturstiftung Ever. Present. Past. Geschichte als Inspiration. Die präsentierten Arbeiten ehemaliger Stipendiat:innen lassen jene Dimension erkennen, die Widersprüche offenlegt, Gewissheiten und tradierte Konzepte hinterfragt. Im spannungsvollen, teils subtil inszenierten Nebeneinander mit Exponaten der Sammlungen von Hessen Kassel Heritage kommentieren und reinszenieren die zeitgenössischen Arbeiten mit ihren Frage- und Infragestellungen die ‚Geschichtsbeispiele‘, die den historischen Prolog bilden. Aktuelles wird verhandelt, etwa kulturelle Aneignung, ausgrenzende Machtsymbolik, Authentizität gegenüber Inszenierung, der Zugang zu Kunst und die Deutungsmacht kultureller Institutionen. Zu sehen sind die Werke von Viola Bittl, Zuzanna Czebatul, Gabi Hamm, Julian Irlinger, Marko Lehanka, Laura J. Padgett, Laura Schawelka und Jan Schmidt im Museum Schloss Wilhelmshöhe und in der Neuen Galerie.