herbst 2015

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

Werke von Lukas Cranach gehören zu den Blue Chips der Kunstgeschichte, die auch eine des Kunstmarktes darstellt, natürlich, sagen wir heute. Dass zum Beispiel Lukas Cranach nicht ein gottgegebenes Künstlergenie war, sondern neben seinen künstlerischen Qualitäten einen guten Teil seiner Popularität, seines Marktwertes, einem hervorragenden Networking mit den politisch Mächtigen seiner Zeit verdankte, ist aus gegenwärtiger Perspektive ebenfalls sicher anzunehmen. Kunst und KünstlerInnen existieren nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum, einer wie auch immer legitimierten Zone von Exklusivität. Die kritische Reflexion dieser Zusammenhänge basiert im Wesentlichen auf den theoretischen Analysen der Nachkriegsgenerationen in der Philosophie, der politischen Theorie, in der Literatur. Einer der Aktionisten war der Belgier Marcel Broodthaers, der Macht- und Deutungsstrukturen im Feld der Kunst und ihrer Institutionen lesbar werden ließ. Neue Studien zu Broodthaers und der Cranachfamilie sind im Herbst in Kassel zu besichtigen.

Historische Anlässe für diese Förderprojekte geben zum Einen die Lutherdekade, mit der der weltverändernden Reformationszeit gedacht wird, zum Anderen die Gründung der documenta-Ausstellungsreihe 1955. Die Impulse, die dieser Initiative des Kunstprofessors und Designers Arnold Bode zugrunde lagen, finden sich analog in den Gründungsstatuten vieler kulturpolitischer Stiftungen und Organisationen im Deutschland der unmittelbaren Nachkriegsjahre: die erneute Veröffentlichung von im Nationalsozialismus verfolgter Kunst und Literatur sowie eine internationale Öffnung auf einer freiheitlich-demokratischen Grundlage. So hat die seit 1949 in Darmstadt ansässige Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung inzwischen sehr renommierte Literaturauszeichnungen ins Leben gerufen, 1951 den Georg-Büchner-Preis für herausragende deutschsprachige Literatur, 1964 dann den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa und den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay. Mit dem schönen Begriff Geistesgegenwärtig sind die Ausstellung und das Begleitbuch zum 50. Jubiläum der beiden letzteren überschrieben.

Internationale Vernetzung ist in der Gegenwart nicht mehr eine Frage der Machbarkeit, vielmehr sind wir mit der geopolitischen Nutzung, Ausgestaltung und Kontrolle globaler Mobilität, Ökonomie und digitaler Technologien beschäftigt. Sich kreuzende, transkulturelle Welten hat unsere Stipendiatin Amalia Barboza auf einer Reise von Frankfurt nach Brasilien und zurück untersucht. Und im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden stellen digital natives Strategien der Aneignung in künstlerischen Formaten vor unter dem Titel „Whatever man built could be taken apart.“

Ihre
Claudia Scholtz
Geschäftsführerin

Rückblick auf die Inhalte vergangener Ausgaben

Abonnieren Sie den maecenas, das Magazin der Hessischen Kulturstiftung.