erinnerungen

Marcel Proust findet Erinnerungen in einer Teetasse, in Gesten, in Kunst, in Düften und Klängen und schließlich in einem Stolpern. Der Protagonist seines Romans Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist diesen Erinnerungen meist unvermittelt ausgeliefert, sie füllen als stream of consciousness absatzlose Seiten. Jede*r von uns erzählt sich sein oder ihr eigenes Leben, das im Unbewussten, im Körper, in den Dingen eingelagert ist und bei Gelegenheit hervorgebracht wird, ob gewollt oder nicht. Unser persönliches Narrativ, durchzogen von Vergessen, Fehlern und Lügen, überlagert sich mit der kollektiven Erinnerung, dem kulturellen Gedächtnis der Gesellschaft, in der wir leben. Es ist ein Feld, das von Wissenschaftler*innen aus den Natur- und Geisteswissenschaften gleichermaßen erforscht wird.

Um Erinnerungen geht es auch in der Ausstellung Several Ours: (Rewriting Cracks) des Neuen Kunstvereins Gießen. Im KiZ, dem Ausstellungsraum der Kongresshalle, war zuvor die Stadtbibliothek untergebracht, in der einige der aus Gießen stammenden Künstler*innen als junge Menschen ihre Zeit verbracht haben. Als umgewidmeter Raum ist dieser Ort mit zahlreichen sich überlagernden Erinnerungen und auch mit vergessenen und verlorenen Bildern verbunden.

In einem offenen Prozess, der von einer Tanzperformance, einem gemeinschaftlichen Blog und einer Publikation begleitet wird, wollen die in den 1990er Jahren geborenen Künstler*innen Max Johnson, Noah Evenius, Deva Schubert, Nelly Nakahara und Gerrit Brocks multimedial Erinnerungen aktivieren, reflektieren und verbinden. So spannen etwa vereinzelt eingestellte Decken- und Montagestützen, in die Text eingraviert wurde, den ganzen Raum auf, sie werden zu seinem zentralen Merkmal und Sinnbild für Erinnerungsarbeit.