analyse
Doppelleben.
Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland
Die Gründung der Bundesrepublik und der DDR vor 60 Jahren sowie der zwanzigste Jahrestag des Mauerfalls sind der Hintergrund für ein großes Ausstellungsunternehmen, das über das Jubiläumsjahr 2009 hinaus wirken soll: In Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Berlin bereitet die in Darmstadt ansässige Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eine umfassende Darstellung des literarischen Lebens in den beiden deutschen Staaten von 1945 bis zur Wiedervereinigung vor.
Im Mittelpunkt stehen die unmittelbaren Nachkriegsjahre, in denen die Hoffnung auf eine neue demokratische Kultur als gesamtstaatliches Projekt sich zunächst nicht realisierte. Im Gegenteil: Die Diskussion bestimmten fast bruchlose Kontinuitäten zu totalitären Strukturen, im Westen wie im Osten. Die damaligen Protagonisten wie Kasimir Edschmid, erster Generalsekretär des PEN-Zentrums und seit 1950 Vizepräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung oder der DDR-Kulturpolitiker Johannes R. Becher sind heute kaum noch bekannt. Die Ausstellung wird detailliert diese Chancen zu einer Neuorientierung untersuchen und herausarbeiten, welche genutzt, welche nicht weitergeführt wurden und in welchen Zusammenhängen und Strukturen die verschiedenen literarischen Richtungen sich entwickelten.
Erstaunlicherweise fehlt bislang eine solche umfassende Darstellung des literarischen Feldes für diese wichtigen Jahre. Es liegen zwar Arbeiten zu einzelnen Akteuren und auch zur Geschichte von Institutionen und Vereinigungen vor wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die Akademie der Künste, das PEN-Zentrum in Deutschland Ost und West oder die Gruppe 47, in der die jüngere Autorengeneration um Alfred Andersch und Hans Werner Richter für eine aufgeklärte Demokratie und Nachkriegsmoderne stritt.
Wie aber waren diese Gruppen miteinander vernetzt, welche Rollen spielten die Rundfunkanstalten, die Verlage, die Zeitschriften, wie entwickelte sich die Literaturkritik und wie wirkten Literaturpreisvergaben und andere kulturpolitische Maßnahmen? Die Ausstellung Doppelleben und die begleitende zweibändige Publikation unternehmen den Versuch einer Rekonstruktion dieser Zeit – und das ist gut so, denn die letzten Mohikaner leben noch!
Im Anschluss an verschiedene Ausstellungsstationen in Deutschland ist eine als Tafelausstellung konzipierte Präsentation für die Goethe-Institute im Ausland geplant.
- Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland
- 26. April bis 12. Juli 2009
- Literaturhaus Berlin
- Fasananstraße 23
- 10719 Berlin
- www.literaturhaus-berlin.de
- Ab 3. September 2009
- Literaturhaus Frankfurt am Main
- Schöne Aussicht 2
- 60311 Frankfurt am Main
- www.literaturhaus-frankfurt.de