frühling 2013

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

obwohl sich die Welt und wir uns in ihr in stetem Wandel befinden und so etwas wie statische Stabilität nicht existiert, sind dem angemessene Kleidungsstücke wie der Übergangsmantel aus der Mode gekommen. Zumindest im Sprachgebrauch hat diesbezüglich eine Verschiebung stattgefunden, man sieht sich heute nach Outdoor-Ausrüstung um und kleidet sich nach dem Zwiebelprinzip, das eine schnelle Anpassung an wechselnde, sich überlappende Jahreszeiten etc. ermöglicht – im Grunde aber handelt es sich um genau das, was der gute, alte Übergangsmantel zu tun hatte.

Mit Übergängen, Wechselwirkungen und ähnlichen Situationen des Transits beschäftigen sich die Förderprojekte, die wir Ihnen auf der Schwelle zum Frühjahr präsentieren möchten. Die kommende Ausstellung des Museums Fridericianum in Kassel und die Gemeinschaftsproduktion des Städel Museums mit dem Frankfurter Liebieghaus untersuchen Kunstwerke des Barock bzw. des Klassizismus auf Impulse für die folgenden Künstlergenerationen.

Mit dem Erwerb spektakulärer Handschriften können in den Sammlungen des Freien Deutschen Hochstifts und für die Welterbestätte Kloster Lorsch Lücken geschlossen und neue Forschungen eröffnet werden. Ebenfalls in Grenzregionen arbeitet unser aktueller Stipendiat Gerhard Lang: Er ist zu einem Wolkenspaziergang in New York City unterwegs.

Parallel zu alldem stehen die neuen Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Künstlerförderprogramms am Start: Wir möchten sie auch an dieser Stelle herzlich begrüßen und stellen sie Ihnen im Folgenden mit ihren Stipendiumsprojekten vor: Das Atelierstipendium London wurde an die in Berlin lebende Filmerin und Fotografin Katja Eydel (*1969) vergeben. Eydel wird in fotografischen Feldstudien der Frage nachgehen, auf welche Weise sich Klassenbewusstsein in England formuliert. Anne Imhof (*1978) hat ihr Kunststudium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und an der Städelschule in Frankfurt absolviert. Sie wird in Paris, ausgehend von Robert Bressons Film Pickpocket (1959), gestische Codes mit Tänzern zu einer Gesamtkomposition zusammenfügen. Im New Yorker Atelier wird Nora Schultz (*1975) mit Performances und Ton an ihrem neuen Projekt New York Printing City Machine arbeiten.

Für das neu eingerichtete Atelier in Istanbul wurden zwei Stipendiaten ausgewählt. Die Frankfurter Künstlerin Nina Tobien (*1974) untersucht  performativ und installativ in der türkischen Metropole Techniken traditioneller, orientalischer Erzählkunst. 2014 übernimmt Phillip Zach (*1984) das Atelier, um den kulturellen Wandel in einer neuen urbanen Topologie zu untersuchen.

Für selbstgewählte Studienreisen wurden acht Stipendien vergeben: Die gebürtige Argentinierin Amalia Barboza (*1972) verfolgt, wie sich die kulturelle Identität Brasiliens im Ausland konstituiert. Der Frankfurter Objektkünstler Valentin Beinroth (*1974) beschäftigt sich mit Fragen nach Standardisierungen und wird in dem Projekt Survey Antipodes den Inselstaat Neuseeland durch Kartierung und Befragung erfassen. Ausgehend von Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes setzt sich der aus Dänemark stammende Städelschulabsolvent Jonas Jensen (*1982) in London mit verwandten Theorien des Historikers Edward Gibbon auseinander.

Eine Schiffsreise nach Grönland, Nordkanada und Alaska unternimmt Tina Kohlmann (*1977), um Elemente arktischer Mythologie mit Hilfe historischer Kulturtechniken in die Medien Installation, Skulptur und Performance zu übersetzen.

Den Mythos Los Angeles werden gleich drei Künstler untersuchen: Während die Wiesbadenerin Christiane Kues (*1982) dem Nachleben der Konzeptkunst in der Kulturindustrie L. A. nachgeht, sucht die Villa Romana-Preisträgerin Anna Kerstin Otto (*1972) eine neue Semantik für die  Malerei. Simon Starling-Schüler John Skoog (*1985) hingegen beschäftigt sich mit Filmindustrie und Filmgeschichte. Er plant eine Performance auf dem Broadway und einen Film zur Hollywoodschen Imitation fremder Kontinente.

Auf den Spuren des Zauberkünstlers Étienne-Gaspard Robert, von Ljubow Popowa und Erwin Piscator schließlich erforscht der in Frankfurt ansässige documenta-Teilnehmer Jeronimo Voss (*1981) die Geschichte und Bedeutung der Laterna Magica und weiterer Projektionstechniken.

Mit Frühlingsgrüßen

Ihre
Claudia Scholtz
Geschäftsführerin