goldene zeit?
„Kinder sind Antiken“ ist ein Gedanke von Novalis. Die Verquickung lässt erahnen, dass etwas Vollkommenes mit Vergangenheitscharakter vorgestellt wird – in der Art, dass eine frühe Altersstufe gleicherweise das Vollendete repräsentiert wie eine Antike. Dieses Ideal des Anfangs, so geht der Gedanke weiter, ist höchstes Zukunftsziel eines Strebens; das Kind also ist – als ,authentische Natur‘ gleichgesetzt mit Antike – ein fernes Fantasiegebilde und, durch die Künstler, Poesie im Werden. Kurz gesagt: eine Kunstnatur wider die Entzauberung der Welt. Weit abgehoben erscheint dieses Kind, das der Frühromantiker in dem Streben nach Vollendung der Poesie und Menschheit auf den transzendentalen Höhenflug schickt – auf dass es als „Goldenes Zeitalter“ einer „zweiten, höheren Kindheit“ zurückkehre –, von dem archaischen Kind, jenem, das die rousseausche, dann die herdersche Kindheitsphilosophie im vorrationalen Naturzustand ansiedelt; in dieser verfügt es über schöpferische Fantasie, in jener über instinkthaft konstruierende Kräfte. Auch vom gelehrten Kind des Vernunftzeitalters hat sich das ultimative Kind, die romantische Vollendungsgestalt, weit entfernt. So unterschiedlich sie angelegt sind, so unmittelbar hängen diese Kindheiten im Wandel, den sie in der Pädagogik, Anthropologie, in der philosophisch-ästhetischen Reflexion erfahren haben, wie in einer Evolutionskette zusammen. Die Ausstellung nimmt diesen Wandel zwischen Aufklärung und Romantik am Beispiel der Erziehung der Goethe-Geschwister in den Blick, in der sich eine die schöpferische freie Betätigung fördernde Pädagogik abzeichnet. In der Schau lässt sich ergründen: Wo war Kindheit im Allgemeinen wie im Besonderen der Goethe- und Brentano-Kinder eine kindgemäße ‚goldene Zeit‘, wo nicht? Wie hat das erinnerte Kindsein in die literarischen Kindheitsentwürfe in ihren Werken hinein- und fortgewirkt? Im Spiel und im Märchen wird die Natur des Kindes abseits von methodischem Erlernen und dem Diktat des Nützlichen wirksam. Und worin schreibt sich ursprüngliche Natur- als moderne Kunstpoesie fort?
- Kindheit im Wandel: Von der Aufklärung zur Romantik
- Deutsches Romantik-Museum / Goethe-Haus
- bis 21. Januar 2024
- Großer Hirschgraben 21, 60311 Frankfurt am Main
- Telefon +49 (0)69 138 80-0
- deutsches-romantik-museum.de