Utagawa Hiroshige­ III (1842/43 –1894), Yokohama kaigan tetsudō jōkisha no zu (Ansicht einer Dampflokomotive der Eisenbahn an der Küste von Yokohama), sign: Hiroshige ga; Verleger: Yorozuya Magobei, Farbholzschnitt-Triptychon, drei ōban, um 1874, Sammlung Dr. Karl Hennig, Inv. Nr. H77
Utagawa Hiroshige­ III (1842/43 –1894), Yokohama kaigan tetsudō jōkisha no zu (Ansicht einer Dampflokomotive der Eisenbahn an der Küste von Yokohama) ©



moderne Zeiten

Die Ausstellung Yokohama 1869 – 1912. Als die Bilder leuchten lernten, die das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt 2016/17 zeigte, hatte schon für überraschende Einblicke in die frühmoderne Periode europäisch-japanischer Geschichte gesorgt. Die bildmedialen Produktionen aus dieser Zeit sind allerdings, obwohl in großen Auflagen vertrieben, außerhalb Japans kaum auf Sammlungsinteresse gestoßen. Die Holzschnitte und frühen Foto­grafien aus den letzten Jahrzehnten des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert sind Dokumente eines enormen Modernisierungsprozesses; sie sind die neuen Massenmedien im Inselstaat, der nach gut 200 Jahren der vollständigen Abgeschlossenheit erst Mitte des 19. Jahrhunderts Handels- und Kulturkontakte mit dem Westen aufnimmt. Bekanntermaßen unter massivem außenpolitischem Druck, vor allem seitens der USA, Russlands und Großbritanniens und deren wirtschaftliche und geostrategische Ansprüche.

Während in der westlichen Welt daraufhin der Japonismus blüht, Kunsthändler und Sammler nach Japan reisen, um dort Druckgrafik und traditionelles Kunsthandwerk der – eben vergangenen – Edo-Zeit aufzukaufen, und die Künstlerinnen und Künstler der modernen Avantgarden sich für Stil und Techniken der Importe aus Japan begeistern, werden in der Hafen- und Ankunftsstadt Yokohama 1860 die ersten Fotostudios eröffnet: Zunächst von europäischen Fotografen wie dem Italiener Felice Beato (1832 – 1909) oder dem in Österreich geborenen Raimund von Stillfried-Ratenicz (1839 – 1911), denen sehr bald japanische Fotokünstler mit eigenen Motiv- und Gestaltungssetzungen folgen. Kusakabe Kinbei (1841 – 1932) beispielsweise, der seine fotografische Ausbildung vermutlich bei beiden prominenten Ausländern erhielt, macht sich 1880 in Yokohama selbstständig und wird einer der erfolgreichsten Souvenirfotografen seinerzeit. Die damals auch in Europa noch junge Technik Fotografie bedient, vor Erfindung der Ansichtskarte, den wachsenden Bedarf an Reisedokumentation und kultureller (Selbst-)Inszenierung für amerikanische und europäische Touristen und Geschäftsleute.

Auch im Bereich des Holzschnitts findet das Aufeinanderprallen der west-östlichen Kulturen Resonanz, vielleicht radikaler noch als in der neuen, ungewohnten Technik Fotografie. Die so genannten Yokohama-Bilder (Yokohama-e) lösen die traditionellen Ukiyo-e ab; Thema sind jetzt die unmittelbaren Ereignisse und Neuerungen, die den japanischen Alltag in diesen Jahren so stark verändern. In den zwar in der traditionellen Technik des Farbholzschnittes entstandenen, aber deutlich farbintensiveren Darstellungen bildet sich die rasche, nach der internationalen Öffnung des Landes einsetzende Industrialisierung ab: Dampfschiffe, Heißluftballons und Eisenbahnen kommen ins Land und auf die Bilder ebenso wie die zahlreichen Begegnungen im Stadtbild mit nichtasiatischen Menschen, ihren aufregend andersartigen Moden und Verhaltensweisen.

Die Yokohama-Schau basierte bereits in weiten Teilen auf den Beständen zweier Privatsammlungen, die sich auf diese frühmodernen Produktionen im Holzschnitt und der Fotografie konzentriert haben. Die beiden sehr differenziert aufgebauten und gut erhaltenen Konvolute wurden unter anderem mit Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung vor Kurzem für das Frankfurter Haus angekauft, das damit seine schon vorhandenen, exzellenten Bestände an japanischer Kunst aus der Edo-Zeit ergänzen kann.

  • Museum Angewandte Kunst
  • Schaumainkai 17
  • 60594 Frankfurt am Main
  • Telefon 069 / 21 24 45 39
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  • www.museumangewandtekunst.de