neapel — erbach
In den Katalogen zu seinen Sammlungen schreibt Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754 – 1823) über sein „Drittes Wohnzimmer“, wie sehr er sich daran erfreue, „… so manchen Helden der Vorzeit sein fabelhaftes Abentheuer bestehen zu sehen, so manche bachische Orgie im Urbild zu bewundern“.
Vor Augen hatte der Graf – der in seiner Jugend und ein zweites Mal 1791 mit seiner Familie Italien bereiste – dabei unter anderem eine Auswahl von „etrusischen Vasen“. Auf den antiken Gefäßen finden sich zahlreiche Motive aus der antiken Mythologie in vielfigurigen Vasenbildern, die der Graf daheim im Odenwald durch seinen Hofmaler Johann Wilhelm Wendt abmalen ließ. Wendts Zeichnungen waren nicht nur dekorative Elemente für eines der frühesten in Europa angelegten „Etrusischen Kabinette“. Sie sollten, ebenso wie die diversen Vasenformen, die der Graf enzyklopädisch zusammengestellt hatte, anregend auf die Keramik- und Kunstproduktion in seiner Grafschaft wirken – nach dem Vorbild der englischen Keramikmanufaktur Wedgwood, die einer regelrechten Etruskomanie frönte.
Die Identifikation des Grafen mit den antiken mythologischen Lebenswelten ging so weit, dass er sich selbst und seine Frau von Wendt auf einer Vase im antiken Stil malen ließ. Nach dem Tod Franz’ I. wurde die ursprüngliche Aufstellung der Sammlung durch seine Erben verändert, wichtige Stücke wurden in den 1980er Jahren bei Christie’s versteigert.
Eine glückliche Gelegenheit ergab sich nun im Sommer dieses Jahres, als – wiederum bei Christie’s – zwei der damals veräußerten Stücke aus der gräflichen Sammlung zur Auktion standen. Schloss Erbach erhielt den Zuschlag für den sizilisch-griechischen rotfigurigen Kelchkrater (ca. 350 vor Chr.) und die archaisch attisch-schwarzfigurige Lekythos (ca. 525 vor Chr.); bei Letzterer konnte die Hessische Kulturstiftung den Ankauf unterstützen. Damit ist man der Rekonstruktion der ursprünglichen Aufstellung der Sammlung einen unerwarteten und bedeutenden Schritt nähergekommen.
Die Lekythos – ein Behältnis zum Aufbewahren von Öl – zeigt den Themenkreis der von Franz I. erwähnten bacchischen Orgien: In einer vergleichsweise gesitteten Reihe tragen Faune Mänaden aus der Gefolgschaft des Bacchus auf ihren Schultern. Umrankt von Wein und mit bekränzten Häuptern trinken sie aus einem Horn, um „den Saft der dem Gotte (…) geheiligten Frucht besser zu genießen“, beschreibt Franz I. in seinem Katalog die Szene, die seine Fantasie beflügelte.
- Schwarzfigurige Lekythos
- Schloss Erbach
- Marktplatz 7, 64711 Erbach im Odenwald
- Telefon +49 6062 809360
- www.schloss-erbach.de