Das Stammhaus der Kaffeerösterei To.Mo.Ca, aufgenommen zur Regenzeit. Das Gebäude könnte für ein Beispiel faschistisch-italienischer Architektur in Addis Abeba gehalten werden, tatsächlich aber haben es Griechen (in Addis Abeba gab es -neben der indischen und armenischen auch eine griechische Community) im Jahre 1953 gebaut. Die italienisch-äthiopischen Caféhausbetreiber -waren deren Untermieter. © Michaela Meise
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Anna Voswinckel wechselt einen Kamerafilm im Sitzungssaal der Organisation für Afrikanische Einheit (Vorgängerorganisation der Afrikanischen Union). Die 1961 eingeweihte Africa Hall stammt vom italienischen Architekten Arturo Mezzedimi. Mittlerweile befindet sich in dem Gebäudekomplex die Wirtschaftskommission für Afrika unter Leitung der Vereinten Nationen. Der alte Sitzungssaal wird nicht mehr benutzt, kann aber nach Voranmeldung besichtigt werden. Die Afrikanische Union tagt und arbeitet seit 2012 in einem neuen Gebäude, dem höchsten in Addis Abeba; es wurde von chinesischen Architekten entworfen. © Michaela Meise
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In der Dekorationsvitrine des To.Mo.Ca–Cáfes (Wawel Street Ecke Churchill Road) befindet sich eine Kaffeedose der Frankfurter Rösterei Wacker. © Michaela Meise
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Das Badelu Building ist ein Wohnhaus in der Nähe des Nationaltheaters, es trägt seinen Namen nach dem Vater des Besitzers. Das Haus stammt aus den späten 1960er Jahren; der Architekt ist unbekannt, könnte aber der Franzose Henri Chomette gewesen sein. Diese Vermutung äußerte mir gegen-über Maheder Gebremedhin, der auf der Radio-station Sheger FM eine wöchentliche Sendung zu Architekturthemen moderiert und ein eigenes -Architekturbüro in Addis Abeba betreibt. © Michaela Meise
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stipendiatin
michaela meise

Michaela Meises (*1976) skulpturale, meist in installative Kombinationen eingebundene Arbeiten kreisen um Momente des Prekären, Instabilen und den Möglichkeiten der Balance. Die Bildhauerin untersucht derlei Verhältnisse in vielseitigen medialen Formaten sowohl auf der Ebene architektonischer, konstruktiver Anordnungen als auch im Hinblick auf soziale und politische Zusammenhänge.

Die in Berlin lebende Künstlerin hat bei Urs Lüthi an der Kunsthochschule Kassel und an der Frankfurter Städelschule bei Ayse Erkmen studiert. Neben zahlreichen internationalen Ausstellungen seither, u.a. bei Greene Naftali, New York, Richard Telles Fine Art, Los Angeles, Standard in Oslo, dépendance, Brüssel und bei der Galerie Johann König, Berlin, hatte Meise in den vergangenen zwei Jahren eine Professur für Bildhauerei an der Berliner Universität der Künste. Parallel zu ihrer künstlerischen Praxis ist sie auch schon länger in der Musik unterwegs: Da wären Musikprojekte wie das Album Songs of Nico (2005), zusammen mit Sergej Jensen, zu nennen und auch einige Gastauftritte als Sängerin bei Phantom / Ghost und Tocotronic. Zuletzt erschien 2011 ihr Soloalbum Preis dem Todesüberwinder mit Interpretationen historischer Kirchenlieder.

In diesem produktiven Spektrum hat Michaela Meise auch die Geschichte und Kultur Äthiopiens ins Auge gefasst: „Afrikanische Länder dienen oft als Projektionsfläche für persönliche Sinnsuche oder dokumentarische Kritik, wodurch eine Marginalisierung auch im Bereich der bildenden Kunst stattfindet. Ich möchte ebenfalls herausfinden und offen legen, warum ich mich überhaupt in diesem Land aufhalte“, sagte sie zur Projektbegründung. In dem folgenden Text berichtet die Künstlerin selbst von ihrem Stipendiumsaufenthalt in Addis Abeba.

Neue Arbeiten von Michaela Meise werden ab dem 8. November bei Johann König in Berlin zu sehen sein; ihr nächstes Konzert findet am 17. Oktober im King George in Köln statt.

Als Stipendiatin der Hessischen Kulturstiftung habe ich mich von Anfang September bis Ende Dezember 2012 in der Hauptstadt von Äthiopien aufgehalten. Der Reisezeitraum war so gewählt, dass ich das äthiopische Neujahrsfest (am 11. September) miterleben konnte, sowie zwei Wochen später den wichtigen Feiertag Meskel, an dem im Stadtzentrum von Addis Abeba ein riesiger Scheiterhaufen verbrannt wird.

Zwei Wochen vor meiner Anreise starb der äthiopische Premierminister Meles Zenawi, der das Land nach dem Sturz des sozialistischen Regimes seit 1991 durchgehend und im mehr oder weniger autoritären Stil regiert hatte. Aufgrund der wochenlangen Staatstrauer wurden alle großen Veranstaltungen zum Neujahrsfest abgesagt. Zum Meskel-Fest konnte ich aber auf den Stufen des Revolution-Square die stundenlange Zeremonie erleben, bei der aus allen Kirchen der Stadt Festzüge ankamen, Gesänge vorgetragen wurden, bei Einbruch der Dunkelheit alle Anwesenden einen Wachsdocht anzündeten, bis schließlich Stunden später der riesige Scheiterhaufen in der Mitte des Platzes brannte. Mir wurde gesagt, dass an diesem Tag die Regenzeit endet, sonst hätte der Scheiterhaufen auch nicht brennen können. Und tatsächlich war es der erste Tag seit meiner Ankunft, an dem es keinen Wolkenbruch gab.

Ich hatte vorgehabt, in Addis Abeba nach Spuren der DDR in Äthiopien zu suchen. 1974 wurde das alte Kaiserreich im Zuge einer Revolution zur sozialistischen Republik, die sich recht bald zu einer Militärjunta entwickelte. Als 1975 ein Krieg mit dem Nachbarland Somalia ausbrach, bat Äthiopien die sozialistischen Bruderstaaten um militärische Hilfe. Neben der Sowjetunion engagierten sich vor allem Kuba und die DDR mit Waffen und Truppen und unterhielten auch noch danach enge Handels- und Bildungsbeziehungen zu Äthiopien. Die DDR importierte Rohstoffe im Tausch für militärisches und landwirtschaftliches Gerät. Zusätzlich gab es Bildungsförderung, sowie Unterstützung beim Aufbau von Polizei, Geheimdienst, Militär und politischem Kader. Dennoch konnten sich die wenigsten Bewohner von Addis Ababa, mit denen ich geredet habe, an die Deutschen erinnern. Diese hätten meistens „im Auto“ gesessen. Die Kubaner waren präsenter im Stadtleben und viele blieben auch nach dem Ende des Regimes 1991.

Ich hatte von vorneherein den Wunsch gehabt, die Architektur von Addis Abeba fotografisch festzuhalten. Ich entschied mich bewusst für eine analoge Kamera, da ich den Prozess verlangsamen und stärker die Zufälle ins Spiel bringen wollte, die bei der Digitalfotografie immer zeitnah überprüft werden können. Ich musste daher auch ein Fotostudio finden, das analoge Filme entwickelt. Ebenso war es gar nicht so einfach, Negativfilme zu kaufen. Ich habe aber recht schnell ein Geschäft gefunden und nach einem längeren Zeitraum dann noch ein sehr viel besseres (PROCOLOR). Die Fotoläden in Addis Abeba waren in erster Linie für inszenierte Studiofotos da. Es gab eine Vielzahl an Hintergründen, Backsteinwänden oder abstrakte Strukturen, Möbel, Säulen, Requisiten, aber auch digitale Hintergründe, um Familien oder Paare dort in Szene zu setzen. Ich habe festgestellt, dass in Addis Abeba privat nicht fotografiert wurde, außer bei Familienfesten. Weder beim Treffen von Freunden wurde fotografiert und erst recht nicht auf der Straße. Zwar haben fast alle ein Handy, aber ich habe nie gesehen, dass jemand die Handykamera benutzt (außer an einem einzigen Tag, das war das Meskel-Fest). Wenn man jemanden fotografieren sieht, dann ist das ein Tourist oder ein Journalist. Es hat für mich etwas gedauert, bis ich einen Umgang damit gefunden habe. Es war für mich ganz klar, dass ich keine Menschen direkt fotografiere. Ich habe meistens gewartet, bis sich die Straße etwas geleert hat (was nicht ganz möglich ist), wodurch Passanten eher zufällig ins Bild geraten sind. Jedenfalls waren sie nie mein geplantes „Bildmotiv“. Aber selbst dann wurde ich beim Fotografieren eines Gebäudes oft darauf angesprochen, ob ich die Erlaubnis des Hausbesitzers hätte. Das „Recht am Bild“ ist in Äthiopien sehr wichtig, unter anderem, weil es allgemeines Wissen ist, dass Hilfsorganisationen Fotografien verwenden, um Gelder zu akquirieren.

Ich konnte im Laufe des Aufenthaltes feststellen, dass einige der Gebäude, die ich für sozialistische Architektur gehalten hatte, eigentlich Beispiele für moderne Architektur (den International Style) waren. Kaiser Haile Selassie bemühte sich in den 1950er und 1960er Jahren darum, Addis Abeba ein Erscheinungsbild zu geben, das mit internationalen Metropolen mithalten kann, besonders nachdem die Stadt 1963 ständiger Sitz der Afrikanischen Union (bzw. der Vorgängerorganisation) geworden war. Architekten aus Frankreich, Italien, Israel und anderen Ländern wurden nach Addis Abeba eingeladen, um dort im Geiste der Zeit zu bauen.

Daher entschloss ich mich vor Ort, alle historischen Bauphasen der Stadt zu fotografieren. Das sind einmal die Gründerjahre der Stadt Ende des 19. Jahrhunderts (neben wenigen erhaltenen Tukul-Rundbauten ist der Baustil armenisch oder indisch); danach folgt eine kurze Periode faschistischer Architektur aufgrund der vierjährigen Besatzung durch italienische Truppen im Zweiten Weltkrieg. Daran schließt sich die Phase des International Style an (seit den 1970er Jahren auch vertreten durch erste Absolventen der äthiopischen Architekturhochschule). In der sozialistischen Zeit (1974 – 1991) wurde entgegen mancher Behauptungen weiterhin gebaut, auch wenn der Baustil nicht unbedingt erkennbar anders war als vorher. Seit den 1990er Jahren hat sich in Addis Ababa dann mehr und mehr ein Bauen mit Beton und Glas durchgesetzt, das zwar dem Klima und dem Rohstoffvorkommen des Landes widerspricht, sich aber am wirtschaftlichen Aufstieg asiatischer Länder orientiert.

Die Architektur von Addis Abeba ist auch deshalb so aufregend, weil sie ein Beispiel dafür ist, wie eine afrikanische Metropole aussehen kann, die keine koloniale Vergangenheit hat. Äthiopien ist das einzige afrikanische Land, das nie kolonisiert wurde (von vier Jahren abgesehen). Zwar hat es auf Kolonialmächte und Missionare reagieren müssen, aber doch von einem vergleichsweise autonomen Standpunkt aus. Die Stadt Addis Abeba ist von einem Zeltlager aus gewuchert. Es gibt ein Nebeneinander von modernistischer Architektur, dem Bauhandwerk von indischen und armenischen Einwanderern, Hochhäusern nach chinesischen Entwürfen und dazwischen immer wieder dörfliche Strukturen, die nicht mit Slums zu verwechseln sind. Geht man die unbefestigten Gassen in ein solches Dorf hinein, kann man immer wieder auf sehr alte Häuser stoßen oder auf einen großen alten Baum, dessen Äste unversehrt sind, obwohl die meisten Stadtbewohner mit Holz heizen und kochen müssen.

Ich bereite derzeit eine Publikation zum Stadtbild von Addis Abeba vor. Neben den historischen Hintergründen einzelner Gebäude, (die ich vor allem dem Rezeptionisten Terefe „Terry“ Tadesse, der Programmleiterin des Goethe-Instituts, Tedagne Tadesse, und dem Architekten Maheder Gebremedhin verdanke), und meinen Eindrücken der Stadt sollen dort auch Erinnerungen von Deutschen erwähnt werden, die zur Kaiserzeit oder im Sozialismus vor Ort waren. Auf diesem Wege möchte ich auch gerne noch Menschen auffordern, sich bei mir zu melden. Auch Institutionen sind willkommen, die neben der Hessischen Kulturstiftung die Publikation unterstützen möchten!