Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Encore et encore, 2009 ©
Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Preface, 2009 ©
Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Preface, 2009 ©
Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Couverture (No 1), 2009; Encore et encore, 2009; Preface, 2009 ©
Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Piece by Piece, 2009; Refractive Style, 2009 ©
Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Refractive Style, 2009 ©
Overgarden – Institute of Contemporary Art, Kopenhagen, Dänemark, 2009, Installationsansichten © Pernille Kapper Williams, Fotos: Anders Sune Berg
Pernille Kapper Williams: Piece by Piece, 2009 ©



stipendiatin
pernille kapper williams

Die dänische Künstlerin Pernille Kapper Williams (*1973) hat an der Fynske Kunstakademi in Odense und an der Staatlichen Hochschule für Bildende Kunst Städelschule in Frankfurt am Main studiert. Seit ihrem Abschluss 2006 als Meisterschülerin von Prof. Simon Starling beschäftigt sich Kapper Williams in ihren konzeptuellen Arbeiten vor allem mit der Ästhetik von Design, Verpackung und Präsentation im Verhältnis zu den jeweils vermittelten Inhalten. Während ihres Reisestipendiums 2007/08 untersuchte sie an zentralen Standorten in Frankreich, Spanien, Holl­and und Deutschland die Geschichte des Parfums bis hin zur heuti­gen Schönheitsindustrie. 

Pernille Kapper Williams hat vor Kurzem in der Einzelausstellung Table of Contents im Overgaden – Institute of Contemporary Art in Kopenhagen verschiedene Aspekte dieses Projektes mit neuen Arbeiten vorgestellt. In diesem Kontext entstand auch das Interview mit unserer Stipendiatin, das wir in einer leicht gekürz­ten und ins Deutsche übertragenen Fassung übernehmen. Das E-Mail-Interview mit Pernille Kapper Williams führte Karin Andersson von dem dänischen internetbasierten Kunstmagazin Kopenhagen.dk, es wurde zuerst am 8. Dezember 2009 veröffentlicht auf www.kopenhagen.dk

andersson Warum ist gerade Parfum das Grundthema der ausgestellten Werke?

 

kapper williams In der Welt des Parfums gibt es zahlreiche kulturhistorische Aspekte, die mich interessieren, zum Beispiel im Zusammenhang mit Literatur, Mythologie, Soziologie und Ästhetik. Hinzu kommt die spezifische Verwendung von Fachbegriffen, Zeichen, Symbolen und Design (oder die Kombination daraus), die den Bereich kennzeichnet. Parfum hat im Laufe seiner langen Geschichte – und hat immer noch – eine Vielzahl verschiedener Funktionen und Bedeutungen gehabt. Ich finde das äußerst spannend, hier als Künstler einzutauchen.

andersson Parfum ist ein Luxusprodukt. Wie verhalten sich die ausgestellten Werke zur heutigen Konsumkultur?

kapper williams In der Ausstellung wird die heutige Konsumkultur weder kritisiert noch befürwortet. Worum es mir bei den Arbeiten geht, ist eine konzeptuelle Methode zu entwickeln, mit der die visuellen Potenziale des Parfums (seien es die der vergangenen oder gegenwärtigen angewandten Ästhetik) destilliert werden. Schon in einigen früheren Werken habe ich mich mit der Schönheitsindustrie beschäftigt, aber nicht im buchstäblichen Sinn mit Parfum oder Kosmetik. Dafür werden einige der Verführungsstrategien zitiert, imitiert und modifiziert, die im Laufe der Zeit für die Vermarktung dieser Produkte eingesetzt wurden.

andersson Eines der ausgestellten Werke besteht aus mehreren gefundenen Parfumwerbungen, in denen keine Bilder eingesetzt werden, sondern nur Text und Typografie. Was ist für Sie hier das Besondere?

kapper williams Die Werbungen veranschaulichen so eine Methode, die ich in gleicher Weise in den anderen Arbeiten anwende. Sie machen sozusagen etwas unsichtbar, um etwas anderes sichtbar werden zu lassen. Die Arbeit Prefacebesteht aus zehn gerahmten Werbungen und ganzseitigen Anzeigen aus Lifestylemagazinen, die deutlich das Grafikdesign seit den 1920er-Jahren zeigen. In diesen Jahren etablierten sich Parfum und Kosmetik als essentielle Elemente der Konsumkultur, und hierbei spielte die Werbung eine entscheidende Rolle. Die Werbungen wirken absolut nostalgisch, aber das ist nicht der Grund, warum ich sie zeige. Der Grund ist, dass hier ganz konkret deutlich wird, wie es Werbung gelingt, die Visualisierung eines Produkts zu versprachlichen.

Da wir über die Verwendung von Sprache reden, möchte ich Robert Smithson erwähnen. Er hat seine Ideen nicht nur durch seine Werke als bildender Künstler formuliert, sondern gerade auch durch Texte. Beides ist bei Smithson so eng verwandt, dass man Wort und Bild in höchstem Grad als gleichwertige Teile derselben Tätigkeit ansehen kann. 1967 schrieb Smithson eine Pressemitteilung für eine Ausstellung mit dem Titel Language to be Looked at and / or Things to be Read (Dwan Gallery, New York). Der Text war mit dem Pseudonym „Eton Corrasable“ unterschrieben, und es wird u. a. die These aufgestellt, dass Sprache zwischen buchstäblicher und bildlicher Bedeutung funktioniert. Das gleichzeitige Fehlen und Vorhandensein von Smithsons Unterschrift am Ende des Texts spielt sowohl mit der Buchstäblichkeit des Geschriebenen, genauer: der geschriebenen Oberfläche, als auch mit der metaphorischen Vorstellung vom verschwindenden oder stets vorhandenen Verfasser. (…)

andersson Die Arbeit Encore et encore besteht aus einem Stapel Bücher. Können Sie etwas zur Art und Weise sagen, wie Sie die Bücher präsentieren?

kapper williams Der Stapel enthält eine Auswahl neuerer und antiquarischer Publikationen, die alle auf die eine oder andere Weise das Thema Parfum behandeln. Insgesamt sind es 25 Bücher, Zeitschriften und Anleitungstexte, die auf einem Sockel aufeinandergestapelt liegen. Dem Publikum wird bewusst der Zugang zum Inhalt der Bücher versperrt. Die äußere Form der Bücher, normalerweise sekundär, wird primär. Dem Umschlag (einschließlich Buchrücken), der Typografie und dem Papier wird so eine neue Bedeutung zugewiesen. Durch die Verwendung eines Sockels, und nicht zum Beispiel eines Regals, wird das Buch im gegebenen Kontext gleichzeitig als Kunstgegenstand präsentiert.

andersson Inwiefern geht es bei den anderen Arbeiten der Ausstellung um das Verhältnis zwischen Inhalt und Oberfläche?

kapper williams Für mich ist es interessant zu sehen, wie die Oberfläche eine Art Eigenleben entwickelt, wenn man den Inhalt entfernt. Die Arbeit Piece by Piece ist ein Regalsystem aus Stahl, Glas und Spiegeln. Die Einzelteile spiegeln sich hier im buchstäblichen Sinn ineinander. Im Kontext der Ausstellung wird sofort klar, was in dem Regal fehlt: Parfumflaschen. Das Werk behandelt einerseits das konkret physisch Vorhandene, gleichzeitig aber auch das, was nicht unmittelbar sichtbar ist. Der Hintergrund wird in den Vordergrund gerückt, das Nicht-Vorhandene ist trotzdem vorhanden. Das trifft auch auf die anderen ausgestellten Werke zu.

andersson Können Sie etwas zu den Farben in der Ausstellung sagen?

kapper williams Was die Arbeit Preface angeht, wurden Werbungen besonders zu jener Zeit in Schwarz-Weiß gedruckt, genau wie die Lifestyleanzeigen, die in den 1920er-Jahren populär wurden. Das Werk Couverture [No 1] besteht aus verschiedenen Textilien (Alcantara, Raulederimitat, Seide und Velours) in monochromem Schwarz, Grau, Marineblau und Rosa, die auf MDF-Platten gespannt sind. Auf den ersten Blick glaubt man vielleicht, dass die Arbeit ein rein formales Konzept ausdrücken soll, aber es geht eigentlich um eine „Re-Inszenierung“ von Materialien. Hier sind es Textilien, die sonst als Verpackung für Parfums dienen. Für die gezeigten Textilien und Farben gilt, dass sie damals wie heute zum Signalisieren von Exklusivität eingesetzt wurden. Die Glasstöpsel der Arbeit Refractive Style sind aus klarem Glas, mit Ausnahme von einigen schwarz, rosa und braun gefärbten Exemplaren. Entscheidend für die Farbwahl war hier, dass Parfumflakons in der Regel aus klarem Glas und nur selten aus farblich getöntem Glas hergestellt werden.

andersson Worum geht es Ihnen in Ihrer Arbeit Refractive Style?

kapper williams Grundelement ist hier der Parfumflakon (allerdings ohne einen Hauch von Parfum), der aber nur als Fragment erscheint. Eine Sammlung von Glasstöpseln, die wie in einem Display präsentiert wird. Die Stöpsel rufen eine Reihe von Konnotationen wach. Die Parfumflakons, von denen sie stammen, dienen der Aufbewahrung einer Art Magie, die freigesetzt wird, wenn man das Fläschchen öffnet und diskret ein oder zwei Tropfen davon aufträgt. Früher waren die Flakons handgearbeitet und häufig wertvoller als der Inhalt selbst. Deshalb war die physische Präsentation des Parfums immer genauso wichtig wie der eigentliche Duft – wenn nicht sogar wichtiger.

Das fragmentierte Objekt, das ich hier verarbeite, steht also nicht nur für die dekorative Funktion des Stöpsels, sondern auch für den Stöpsel als Sammlerobjekt – und damit für seinen kulturhistorischen wie ökonomischen Wert.

andersson Sie haben vorhin das Wort „Display“ benutzt. Das Konzept hinter diesem Wort spielt unter anderem auch in der Ausstellung eine Rolle. Was interessiert Sie an dem Sockel und der Ästhetik, die mit dem Ausstellen von Dingen verbunden ist?

kapper williams Die Tatsache, dass ein isoliertes Fragment – egal, ob es sich um einen Alltagsgegenstand wie ein Regal oder aber einen Sockel handelt – zu einer Art selbstreferenziellem Bedeutungsträger werden kann. Wie bei meiner früheren Arbeit Nothing Matters (2006), die nur aus einem schwarzen, hochglanzlackierten Sockel besteht. Dort wird gerade durch das Nicht-Dasein (nämlich des normalerweise auf einem Sockel ausgestellten Objekts) Dasein erzeugt und zusätzlich Bedeutung geschaffen. Einen Teil meiner Arbeiten könnte man als eine erwei­terte Form von Sprachspiel bezeichnen. Charakteristisch für diese Werke ist, dass ihre Wirkung zwischen buchstäblicher und bildlicher Bedeutung entsteht. Manchmal werden die Dinge ganz konkret auf den Kopf gestellt, Bedeutungen werden umgeschrieben und neue sprachliche und / oder visuelle Bedeutungen werden konstruiert. So analysiere ich, welche neuen Bedeutungen entstehen, wenn dem Objekt seine ursprüngliche Funktion und /oder sein ursprünglicher Kontext entzogen werden und es stumm in seiner realen oder imaginären Form zurückbleibt.

Übersetzung: Michael Schickenberg, Trummer/Fachübersetzungsdienst GmbH, Baar/CH