geburt der klinik
„Im ältesten öffentlichen Museumsgebäude des europäischen Festlandes werden neue Energien freigesetzt, um damit an die Tradition des Fridericanums (mit Erdkilometer, Beuys’schem Denken und documenta-Experimenten) anzuknüpfen. Ambitioniert und engagiert will die Kunst sein, die hier präsentiert wird. Menschlich, human will sie sein, mit hier und da einem Funken Erhabenheit – ein Plädoyer für die noch zu formulierenden Voraussetzungen einer Menschlichkeit des 21. Jahrhunderts.“ Nichts weniger formuliert Rein Wolfs, künstlerischer Leiter der Kunsthalle Fridericianum, in seinem kuratorischen Credo.
Für pointierte Gesellschaftskritik ist auch der aus Heppenheim stammende Künstler Thomas Zipp (*1966) bekannt: Nach Christoph Büchel, der 2008 unter anderem einen Discountermarkt in die Kasseler Kunsthalle einbaute, hat Wolfs jetzt den an der Universität der Künste in Berlin lehrenden Zipp zu einer Transformation des ganzen Hauses eingeladen. Zipps Gesamtinstallation (WHITE REFORMATION CO-OP) MENS SANA IN CORPORE SANO umfasst über zwei Etagen die Inszenierung einer psychiatrischen Anstalt. Das Publikum wird darin über einen Laufsteg durch scheinbar endlose Gänge geführt, vorbei an teils geschlossenen, teils offenen Türen, durch schwarz abgehängte Räume in grellem Neonlicht. Schlafsaal, Küche, Gummizelle, Malwerkstatt, Toiletten, Direktorenzimmer und dergleichen mehr sind – benutzbar – ausgestattet mit originaler oder nachgestellter Möblierung, mit Zeichnungen und Gemälden des Künstlers.
Zipps bisher größte Installation reflektiert die Dialektik der Aufklärung und ihre Diskurse in der Philosophie, Medizin- und Geistesgeschichte extrem suggestiv und physisch erfahrbar an einem historischen Schauplatz. Empfehlenswert, mit Nebenwirkungen.
- Thomas Zipp
- (WHITE REFORMATION CO-OP) MENS SANA IN CORPORE SANO
- Bis 13. Juni 2010
- Premiere Dokumentarfilm Achtung! Psychonauten ,
- Regie: Sonja Baeger, und Künstlergespräch mit Thomas Zipp
- 26. Mai 2010, 18 Uhr
- Kunsthalle Fridericianum, Friedrichplatz 18, 34117 Kassel
- Telefon 0561 / 707 27 20, Öffnungszeiten Mi – So 11 – 18 Uhr
- www.fridericianum-kassel.de