im (un)sichtbaren
Ihr Jüdischsein sei etwas, das sie „niemals richtig erkannt“ habe, bekennt Lilli Palmer (1914–1986) in einem Interview Anfang der Achtzigerjahre. 1954 ist sie nach Jahren des Exils und einer Hollywoodkarriere nach Deutschland zurückgekehrt, um die Hauptrolle in der Filmkomödie Feuerwerk zu besetzen: Als glamouröse Fremde besingt sie in dem akzentgetönten Lied Oh, mein Papa mit gestisch untermaltem „eh la hopp!“ den behänden Sprung ihres Vaters, eines großen Clowns, auf das Tanzseil. Den glücklichen „Sprung“ hatte Palmer nach ihren Worten 1933 von Berlin aus auf Pariser Bühnen gemacht – die Flucht vor der NS-Gewalt bleibt in der leichten Erzählung ihrer beruflichen Anfänge zwischen den Zeilen. Der Weltstar ließ die Jüdin weitgehend im Unsichtbaren, die gemeinhin nicht wahrgenommen wurde. Palmers Biografie steht in einer Reihe von Lebensläufen jüdischer Film- und Fernsehschaffender in der alten Bundesrepublik, die durch einen vielfach widersprüchlichen Umgang mit der jüdischen Identität und dem öffentlichen Bild gekennzeichnet sind. Die im Jüdischen Museum Frankfurt gezeigte Ausstellung Ausgeblendet / Eingeblendet richtet an heutige Filmschaffende die thematisch relevante Frage, ob sie ihr Jüdischsein sichtbar oder lieber unsichtbar halten wollen. An die Gegen(warts)stimmen schließen die Kapitel einer erstmals erzählten Filmgeschichte von 1945 bis 1989 an. Die Schau umkreist Jahrzehnte filmischen Wirkens, das entsprechend der unterschiedlichen Positionen der Protagonist:innen zu ihrem Jüdischsein ästhetisch wie inhaltlich vielfältige Spuren hinterlassen hat. In ihnen wird die Geschichte jüdischen Filmschaffens sichtbar, die „Irritation“, eine Art Genrestörung, in die Erzählung der allgemeinen bundesdeutschen Filmgeschichte einblendet und sich darin fortschreibt.
- Eingeblendet / Ausgeblendet.
- Eine jüdische Filmgeschichte der Bundesrepublik Jüdisches Museum Frankfurt
- bis 14. Januar 2024
- Bertha-Pappenheim-Platz 1
- 60311 Frankfurt am Main
- Telefon +49 69 21235000
- juedischesmuseum.de