Jeannette Petri: Dark Wald
Mein Stipendium im Londoner Atelier der Hessischen Kulturstiftung zwischen 2009 und 2010 ist nun schon einige Jahre her. Gemeinsam mit meinem Partner und meinem damals einjährigen Sohn bewohnten wir für zwölf Monate das typisch britische Back-to-Back House, welches am Victoria Park gelegen ist. Retrospektiv betrachtet war es ein großes Geschenk, über einen solch langen Zeitraum konzentriert in meine Themen eintauchen zu dürfen und intensiv an meinem Magazin arbeiten zu können. Als Endprodukt ging aus dieser künstlerisch-kreativen Phase die London-Ausgabe From London & Beyond hervor, die vertiefende Einblicke in die Londoner Hip-Hop-Szene gewährt.
Nach meinem Studium in Film und Fotografie bei Lewis Baltz und Heiner Blum an der HfG Offenbach habe ich viele Jahre lang mein eigenes Magazin Anattitude herausgegeben, das mit Leserinnen und Lesern in Europa, den USA und Kanada ein internationales Publikum erreichte. Mein besonderes Anliegen bestand darin, die Sichtbarkeit von FLINTA im Hip-Hop zu fördern und der obsoleten Behauptung entgegenzutreten, dass Hip-Hop eine ausschließlich männliche Kultur sei. Neben einer breiten Themenvielfalt lag der Fokus des Magazins besonders auf Fotografie, Gestaltung und Sprache.
Meine große Leidenschaft ist die Verbindung von Fotografie und Print, weshalb sich meine Arbeiten meistens als Bücher oder Magazine realisieren. Zu nennen sind etwa Eigenveröffentlichungen wie Dark Wald (2021) und Dear Oma (2022). An meinem aktuellen Projekt Beyond Binary, das Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität porträtiert, arbeite ich seit April 2022. Ein Teil dieser Arbeit wird im Juni 2024 in Frankfurt am Main in einer Gruppenausstellung zu sehen sein.
Neben meiner freien künstlerischen Tätigkeit fotografiere ich fotojournalistisch für verschiedene Magazine wie Der Spiegel, Die Zeit, SZ, Stern etc. sowie für diverse Unternehmen.
Jeannette Petri
DARK WALD
Die Römer gaben dem Gebiet, das von undurchdringlichem, dunklem Urwald bedeckt und wilden Tieren bevölkert war, den Namen Silva Nigra und prägten damit die Mythenbilder, die noch jahrhundertelang in zahllosen Geschichten ihren Ausdruck fanden. Die Furcht vor den Unbilden der Natur, dem Wilden und Unbezähmbaren des Waldinneren wich im 19. Jahrhundert dem tiefen Gefühl romantischer Natursehnsucht. Der Wald der Dichter und Maler wurde zu einer Seelenlandschaft voller Mystik und verborgener Geheimnisse.
Der Schwarzwald als archetypische Landschaft ist der wohl bekannteste deutsche Wald – la forêt-noire, the black forest – und gleichermaßen auch eine Metapher für die Natur per se, deren Schönheit geliebt wird und deren Nöte uns mit Sorge erfüllen.
Die zwischen 2020 und heute entstandenen Fotografien mit ihrer tiefblauen, fast schwarzen Farbigkeit, können nur im Schwarzwald entstanden sein. Der Schrecken der Römer, transportiert in die heutige Zeit, bildet eine Essenz aus Grusel und Hitchcock’scher Suspense – verknüpft mit den Urbildern des Waldes, die im kollektiven Gedächtnis tief verankert sind.
Diese Fotoserie wirft Fragen auf: Inwieweit ist der Wald auch Spiegel der Gesellschaft? Welchen Schutz bietet uns dieser und welchen Schutz erfährt er von uns? Und schließlich: Wie sehr haben wir uns von der Natur abgekoppelt?
2021/2022 ist die 60-seitige Publikation DARK WALD im Selbstverlag entstanden.
www.jeannette-petri.com