Marmor, H 36,8 cm, Musée d’Angers, Angers, Foto: Musée d’Angers, Angers / Pierre David
Jean-Antoine Houdon: Voltaire ohne Perücke, 1778 ©
Bronze, H 144,8 cm, The Metropolitan Museum of Art, New York, Foto: Image © The Metropolitan Museum of Art
Jean-Antoine Houdon: Der Winter (Frileuse), 1783 ©

morgenröte

Die Einstimmung fällt leicht für diese Ausstellung: Ihre zentrale Figur friert erbärmlich. Das Mitfühlen gelingt selbst dann, wenn man nicht als antikisierendes Weiblichkeitsideal besetzt ist und saisongemäß warme Kleider trägt. Jean-Antoine Houdons Skulptur Der Winter (La Frileuse) von 1783 hingegen ist als Akt dargestellt, der Oberkörper mit einem Tuch über Kopf und Schultern nur leicht verhüllt. Für die zu seiner Zeit skandalträchtige Auftragsarbeit hatte der Bildhauer die antike Statue eines jungen Mädchens, die Venus Kallipygos (Venus mit dem schönen Hintern) aus der Sammlung Farnese, zum Vorbild genommen und „nicht mehr eine alte Bäuerin oder einen frierenden Greis“.

Nach der Ausstellung Mehr Licht, die 1999 am Frankfurter Städel Museum die Kunst der Aufklärung im europäischen Zu­sam­menhang darstellte, widmet das Liebieghaus jetzt dem bedeutendsten französischen Bildhauer dieser Zeit eine eingehende monografische Untersuchung. Jean-Antoine Houdon (1741 — 1828) gilt als der Porträtist der französischen und amerikanischen Aufklärer wie Voltaire, Denis Diderot, Jean-Jacques Rousseau oder Benjamin Franklin, aber auch der Monarchen wie Ludwig XVI., Katharina II. und Napoleon I. .

Houdons klassizistische Bildsprache, die sich ebenfalls in seinen ganzfigurigen Arbeiten findet, entwickelte sich an der zunehmenden Wahrnehmung des Körpers, der Persönlichkeit und der Zeitlichkeit, an Themen, die den philosophischen und kunsttheoretischen Diskurs am Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft bestimmten: So verweisen seine sinnlichen Skulpturen etwa, in Abgrenzung zur Kunst des Barock, auf eine mehr empirische Naturbetrachtung, die sich am Vorbild der Antike orientierte, und auch auf die Neubestimmung und -inszenierung von Geschlechterrollen. Neben den ikonografischen Inhalten verändert sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch das künstlerische Verständnis von Material und Form. Die Frankfurter Ausstellung, die einen weiteren Höhepunkt im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Skulpturensammlung darstellt, verfolgt diese neuen Parameter anhand von rund 20 Werken des Bildhauers und weiteren vergleichenden Beispielen zeitgenössischer Künstler.

  • Jean-Antoine Houdon: Die sinnliche Skulptur
  • Bis 28. Februar 2010
  • Liebieghaus Skulpturensammlung
  • Schaumainkai 71
  • 60596 Frankfurt am Main
  • Telefon 069 / 650 04 90
  • Öffnungszeiten Di, Fr – So 10 – 18 Uhr, Mi, Do 10 – 21 Uhr
  • www.liebieghaus.de
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