rom — riga
Ein bislang kaum bekanntes Künstlerstammbuch – im 19. Jahrhundert ein beliebtes Erinnerungsalbum – zeugt vom Rombesuch der livländischen Adelsfamilie Blanckenhagen im Jahr 1810. Die rund 30 Zeichnungen sind ein Who’s Who der damaligen Kunstszene in der Stadt am Tiber: Berthel Thorvaldsen, Christian Daniel Rauch, Johann Friedrich Overbeck, Franz Pforr, die Brüder Riepenhausen gehören dazu. In Kassel wird es jetzt in der Ausstellung Treffpunkt Rom. Die Geschichte eines Künstlerstammbuchs erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Wie darf man sich den Treffpunkt Rom vorstellen, an welchen Orten kamen Künstler, Auftraggeber und Sammler zusammen?
Als die Blanckenhagens in Rom weilen, lernen sie dort Caroline von Humboldt kennen. Sie führt in Rom einen gut besuchten Salon, in dem zahlreiche Künstler ein- und ausgehen. Allerdings stichelt die Mäzenin in einem Brief an ihren Ehemann Wilhelm über die Familie: Sie sprächen zwar deutsch, seien jedoch „in tiefster Seele und Natur so russisch und meinen, dass von da die Kultur ausgehen müsste …“. Tatsächlich war der aus Riga stammende Ritter Wilhelm von Blanckenhagen überzeugter Zarist. Anlässlich des 100. Jahrestags der russischen Übernahme Rigas feierte er am 4. Juli 1810 ein rauschendes Fest in der Villa Aldobrandini.
Ob Caroline selbst zu dem feierlichen Anlass geladen war, ist in dem begeisterten Artikel einer livländischen Zeitung nicht belegt. Hier heißt es lediglich, dass „fast Alles, was sich von Künstlern und Fremden in Rom befand“, dort zusammengekommen. Weit hätte es die Kunstmäzenin im Falle einer Einladung nicht gehabt. Ihre Wohnung im Palazzo Tomati lag ebenso wie die Villa Aldobrandini in der Nähe des Quirinalspalasts. Auf dem Weg zum Fest hätte sie durchaus ein kurzer Abstecher ins Caffè Greco oder die Casa Baldi führen können, um dort ein paar ebenfalls zum Fest eingeladene Künstler aufzulesen. Der berühmte dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen und die Brüder Johann und Franz Riepenhausen arbeiteten und wohnten nur einen Steinwurf weit entfernt.
Thorvaldsen und die Riepenhausens besuchten nachgewiesenermaßen die Feier der Blanckenhagens. Die Malerbrüder zeigten im Park ein großes allegorisches Transparent, Thorvaldsen ließ sich zu einer Skizze für ein Denkmal überreden. Diese Skizze ist nicht im Stammbuch enthalten, sehr wohl aber ein Blatt mit dem Motiv Bacchus und Amor – vielleicht eine augenzwinkernde Anspielung auf das rauschende Fest der von Blanckenhagens.
- Künstlerstammbuch der Familie von Blanckenhagen
- Graphische Sammlung Schloss Wilhelmshöhe
- Schlosspark 1, 34131 Kassel
- Telefon +49 561 31680123
- www.museum-kassel.de