Stipendiat David Moser
David Moser wurde 1993 in Zürich geboren. Von 2014–2017 studierte er Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. 2018 wechselte er in die Klasse von Haegue Yang, um Installation und Skulptur zu studieren. 2022 schloss er sein Studium an der Städelschule mit einem Meisterschüler ab. David Moser lebt und arbeitet zurzeit in Paris. Moser nimmt sich oft in seiner Arbeit selbst als Ausgangsposition, da dies am naheliegendsten scheint – doch er ist am Individuum nur als reiner Platzhalter, als Repräsentant der Masse, als Spiegel der Gesellschaft interessiert. Er benutzt eine kalte und sterile Aura, um über menschliche Möglichkeiten zu sprechen; insbesondere interessieren ihn queere und proletarische Codes, die eingebettet sind in alltägliche standardisierte Objekte und massenproduzierte Materialien wie Sonnenbrillen, Schmutzfänger und Türmatten, Matratzen, Flatscreen-Monitore und Stickers. Auch Baumaterialien wie Glas, Lochblech, Laserwaagen, Schrauben, Aluminiumprofile und Gerüstrohre finden sein künstlerisches Interesse. In Mosers Arbeiten bilden sie Teile von Installationen, die ein Versagen, einen Verlust oder eine Disparität im Kontext von psychologischen und klassenbezogenen Themen aufzeigen. Mosers Arbeit ist auf den menschlichen, den standardisierten Körper ausgelegt, allgegenwärtig in seiner absoluten Abwesenheit. Einzig an Orten, wo das Glas seine Transparenz verliert, dient das Spiegelbild als Beweis, dass der eigene Körper noch da ist. Obschon er sich dem Narrativ verpflichtet hat, geht die Intuition vor. Hingegen siegt die Idee vor der Ästhetik. Das Internet und die stets neuen Technologien werden genutzt und integriert. Moser bedient sich der Natur als Subjekt und Material zugleich und verschreibt sich der Suche nach der Zeitlichkeit in omnipräsenten massenproduzierten Materialien.
Das Gespräch führte Moser mit Raoul Klooker. Klooker ist Kurator und Autor und seit 2021 Co-Direktor von OCT0 in Marseille, Frankreich.
Raoul Klooker Du hast nun die Hälfte deiner einjährigen Residency in Paris hinter dir, also würde mich zuallererst interessieren, woran du in den letzten Monaten gearbeitet hast.
David Moser Als ich in Paris angekommen bin, habe ich erstmal einen Monat gar nichts Neues produziert, weil ich gerade erst eine Ausstellung in der Galerie Neue Alte Brücke in Frankfurt hatte. Ich arbeite häufig mit Glas und anderen transparenten Materialien und habe bereits in Frankfurt angefangen, mich für Lochblech zu interessieren, durch das man hindurchsieht, obwohl es eine sehr starke räumliche Präsenz hat. Schon während des Studiums hatte ich überlegt, eine Abschlussarbeit mit Lochblech zu machen, aber war lange nicht mit den Ergebnissen zufrieden. Damals habe ich Glastische produziert, die man herunterklappen kann – und bin dann auf diese billigen, in China produzierten Plastikringe gestoßen, die man in Löcher in der Mitte von Tischen steckt, um Sonnenschirme zu befestigen. Die Ringe habe ich mit Wortfragmenten aus der Bildzeitung beklebt. Im Moment probiere ich verschiedene Möglichkeiten aus, diese Ringe variabel in eine Installation mit Lochblech zu integrieren.
Klooker Hast du dich schon für ein Format entschieden?
Moser Lochblech wird weltweit in der Standardgröße von 1 × 2 Meter produziert. Deshalb fand ich es interessant, wie in meinen Arbeiten mit Duschkabinen auch hier das industrielle Standardmaß beizubehalten. Ich habe die Platten über einen Freund, mit dem ich in Paris Sport mache und der im Hôtel de Ville als Tischler arbeitet, vergünstigt bestellen können. Ich musste ein bisschen an die Löcher-Skulpturen von Cady Noland denken. Cady Noland ist eine wichtige Künstlerin für mich, unter anderem weil ihre große Ausstellung im MMK Frankfurt lief, als ich gerade mit dem Studium anfing. Da ich damals noch nicht viele Leute in Frankfurt kannte, aber als Student kostenlos ins Museum gehen konnte, hab ich die Ausstellung wahrscheinlich zig Male gesehen. Anders als Cady Noland will ich meine Skulpturen aber nicht direkt auf dem Boden platzieren, sondern überlege, sie auf einem Aluminiumtisch an eine Wand zu lehnen, in dem auch eine Box mit den Ringen Platz hat. Aber ich habe noch nicht entschieden, wie viele vorgebohrte Löcher ich für die Ringe ins Blech einfügen will. Meine Idee ist, dass sich die Ringe austauschen lassen, und die Arbeit immer wieder an verschiedene Ausstellungskontexte angepasst werden kann, sodass die Arbeit selbst keine Subjektivität hat. Das Fehlen einer eigenen Subjektivität ist auch eine Eigenschaft meiner Echo-Arbeiten, die nie alleine und für sich stehen, sondern nur zusammen mit anderen Arbeiten gezeigt werden können, wie beispielsweise Breathing Holes oder mit den „Happy Birthday“-Ballons, die meinen Atem enthalten, aus der Ausstellung Quality Gifts.
Klooker Wie verhalten sich die Echos und deine Arbeiten wie Breathing Holes oder den Ballons zueinander?
Moser Wichtig ist, dass diese Arbeiten immer mit einem Echo gezeigt werden. Die Echos beispielsweise bestehen aus schwarzen oder transparenten Glasplatten, jeweils mit einer Normierung wie „XS“, „L“ oder „XL“ als Größenangabe. Ihre Funktion ist, etwas zu wiederholen, das schon da ist, also können sie nicht alleine existieren, obwohl ich die Breathing Holes und das Echo oder die Ballons und das Echo als jeweils separate Arbeiten angebe. Auch die durchsichtige Glasfläche des Echos in der Ausstellung Quality Gifts bei BPA in Köln reflektierte die darüberliegenden Arbeiten. Ich interessiere mich sehr für Machtverhältnisse und die Dynamiken, die auch Arbeiten zueinander haben können. Genauso ist es für mich interessant, als Autor etwas von der eigenen Subjektivität abzugeben. Die Idee dahinter ist, dass ein Kurator die Arbeiten während einer Ausstellung verändern kann, und dass die fragmentierten Worte oder Zahlen, die von den Arbeiten ausgesprochen werden, nie eine ganze Sprache ergeben und angepasst werden können.
Klooker Mir ist aufgefallen, dass viele der Textfragmente und Symbole, die in deinen Arbeiten vorkommen, etwa Konfektionsgrößen, Markennamen wie FitX oder Bodyguard, aber auch von dir verwendete Materialien wie Matratzen, Duschkabinen und Fußabtreter, auf den menschlichen Körper verweisen, ohne ihn darzustellen.
Moser Ich glaube, wenn ich in einem Satz zusammenfassen müsste, worum es in meiner Arbeit geht, würde ich auch sagen, dass es um den Körper geht – aber um den Körper in seiner absoluten Abwesenheit. Ich bin nie an einem Abbild oder ,body image‘ interessiert, es stehen meistens opake oder sterile Materialien wie Glas oder hier das Lochblech im Zentrum, aber ich versuche auch das Zeitliche oder Menschliche an diesen Materialien hervorzuheben. Mich interessieren die Möglichkeiten, die man als Mensch hat. Beispielsweise habe ich eine Arbeit gemacht, in der biometrische Passfotos vorkommen, aber alle auf ihnen abgebildeten Personen tragen Sonnenbrillen und entziehen sich dadurch der biometrischen Erfassung.
Klooker Der Körper in seiner absoluten Abwesenheit wäre auch eine treffende Beschreibung deiner Ausstellung Corpse and Mirror in der Galerie Neue Alte Brücke. Wie ist deine dortige Installation entstanden?
Moser Mein Ausgangspunkt war die Lektüre von Die Heterotopien. Der utopische Körper von Michel Foucault, ein Radiovortrag, den er kurz vor seinem Tod aufgezeichnet hat. An einer Stelle in diesem Vortrag beschreibt Foucault, dass Spiegel einem immer die Umgebung zeigen, in der man lebt. Das Environment des Spiegels könne man aber nie wirklich betreten, da es für unsere Leichname reserviert sei. Die Ausstellung war ein Versuch, Abbild und Sprache auszulöschen, sodass der Körper noch da ist, aber das Subjekt sich nicht ausbreiten kann.
Die Hauptskulpturen der Ausstellung waren zwei Flachbildschirme Untitled, die auf gegenüberliegenden Seiten des Raumes vor mit schwarzer Spiegelfolie verdunkelten Fenstern hingen. Auf den Bildschirmen, deren Bildflächen in Richtung der Fenster montiert waren, liefen unterschiedliche Ausschnitte der Serie Tom and Jerry als Loop. Die gezeigten Szenen waren nur in dem Spalt zwischen Bildschirm und Fenster spiegelverkehrt im schwarzen Spiegel sichtbar. Meine Idee war es, Bilder in das Environment des Spiegels einzufügen, zu dem unsere lebenden Körper keinen Zugang haben. Eine weitere Skulptur der Ausstellung war ein Bluetooth-Lautsprecher, der mit einem der Monitore verbunden war und den Sound von Tom und Jerry wiedergab. In der Serie kommen auch Menschen vor, die sprechen können, aber ich habe alle Szenen mit Menschen herausgeschnitten, da es mir um die unendliche Jagd und die Hassliebe zwischen Tom und Jerry ging, wie zwei Partner in einer toxischen Beziehung, die ohne einander nicht leben können. Jenseits des Spiegels gab es in der Ausstellung keine Sprache und kein Bild. Im Vorderraum befanden sich die Breathing Holes, die direkt in die Wand gebohrt waren und die sich auch in Echo XS spiegelten.
Klooker Inszenierungen von undurchdringlichen Barrieren ziehen sich durch mehrere deiner Arbeiten, das fiel mir auf. Die Arbeit Breathing Holes hat bei mir Assoziationen über den möglichen Raum dahinter hervorgerufen.
Moser Das Muster, in dem die Breathing Holes angeordnet sind, stammt aus dem Industriedesign von maschinell gefertigten Löchern in Metallplatten, zum Beispiel in U-Bahnen. Ich fand die Idee interessant, dass da eine Maschine oder eine Person hinter oder in der Wand sein könnte. Sie sprechen über etwas, was nicht im Raum ist.
Klooker Ich habe mich gefragt, ob man hier als Betrachter in die Position eines gefangenen Tiers in einem Karton mit Luftlöchern geraten ist oder ob die Löcher für ein atmendes Wesen auf der anderen Seite der Wand gebohrt wurden.
Moser Ja, die Idee gefällt mir. Es könnte auch eine Verbindung zu Nachbarn sein, deren merkwürdige Gerüche sich durch die Lüftungsschächte in den Wänden ausbreiten. Wie im Fall des amerikanischen Massenmörders Jeffrey Dahmer, dessen Nachbarin sich lange, bevor er gefasst wurde, über den Geruch beschwerte, der aus seiner Wohnung in ihr Wohnzimmer durch solche Löcher drang.
Klooker Spätestens seit der Fernsehserie Black Mirror sind schwarze Spiegel ein bekanntes Synonym für digitale Bildschirme und ihr dystopisches Potenzial. Du hast aber auch erwähnt, dass du dich mit der historischen Verwendung von schwarzen Spiegeln in der Malerei beschäftigt hast.
Moser Ja, ich habe gelesen, dass in der westlichen Landschaftsmalerei seit dem 18. Jahrhundert schwarze Taschenspiegel, die man Claude-Glas nannte, als Hilfsmittel benutzt wurden, um Farbabstufungen herunterzubrechen und sie deutlicher hervorzuheben und um Landschaftsausschnitte zu entdecken. Man hat also die Landschaften durch den Spiegel gemalt. Bei der Verwendung schwarzer Spiegel in meinen Arbeiten habe ich natürlich auch an Smartphones und Bildschirme gedacht, als die schwarzen Spiegel, in denen wir uns
jeden Tag sehen. Zum Beispiel wenn man dabei ist, sich Nachrichten hin und her zu schicken und plötzlich das eigene Spiegelbild sieht.
Klooker Fast alle deiner Arbeiten verkörpern eine bewusst generische und unpersönliche Ästhetik von industriell gefertigten Massenwaren. Warum verzichtest du meistens auf eine individuelle Handschrift?
Moser Das ist meine Handschrift. [lacht] Wenn man mich fragt, wie ich die Rolle des Künstlers sehe, ist mir klar: Ich hasse die Idee des Künstlers als Außenseiter oder Genie oder das Bedürfnis, Rockstar zu sein. Viel interessanter sind für mich Standarddasein, generische Produkte und Orte wie das Fitnessstudio, und ich liebe die Idee, einer von vielen zu sein. Vielleicht ist ,basic‘ ein gutes Wort.