Julia Haller
1978
Residenzstipendium der Hessischen Kulturstiftung 2019/2020:
New York
Julia Haller studierte textuelle Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dort lebt und arbeitet sie seitdem – und wartet aufgrund der Pandemie seit einem Jahr darauf, endlich das New Yorker Atelier der Stiftung beziehen zu können, um sich neuen Projekten zu widmen.
In ihren Arbeiten beschäftigt sich Haller mit der Frage, was Kunst sein kann, wo die Grenzen zwischen den Gattungen Zeichnung, Malerei und Skulptur verlaufen, und wie sinnvoll diese Einteilungen überhaupt sind. Hallers Werke sind nonkonformistisch, ihre Bildinhalte widersetzen sich ausdrücklich einer eindeutigen Lesart. Das zentrale Anliegen ihrer künstlerischen Praxis ist die Geschichte der Materialität der Malerei. Formal zwischen Kritzeleien, Graffiti und den Nachfahren einer abstrakt-expressionistischen und zumeist männlichen Malergeneration verortet, formuliert sie seit mehreren Jahren eine klare und aufregende eigene künstlerische Sprache.
Was stellenweise wie ein zeichnerischer Zufall wirkt, ist eine bewusste Inszenierung – bis hin zum Helligkeitsgrad der Beleuchtung ihrer Arbeiten im Ausstellungsraum. Sie sind zurückhaltend, manchmal verstörend in der Durchbrechung eingeübter Sehgewohnheiten und einzigartig leichtfüßig zugleich. Ihre Bilder dürfen durchaus als bewusst gestaltete Metaphern für das Unvollkommene verstanden werden. Doch ob etwas vollkommen oder unvollkommen ist, ergibt sich nur durch eine Anbindung an ein Referenzsystem.
Gerade das aber verweigert Haller absichtlich, indem sie in Ausstellungen auf erklärende Texte verzichtet und sowohl die malerische Geste als auch die Ablehnung einer intellektuellen Kontextualisierung zu einem spannungsvollen Thema macht. Anstelle einer künstlerischen Stellungnahme ließ sie die fiktive Protagonistin eines Textes einmal sagen: „Das gemalte Bild ist nicht mehr glaubwürdig.“ Das wiederum glauben wir ihr sofort.